Während alle Welt in „Star Wars VII“ rennt, habe ich mir zunächst einen anderen Kino-Neustart dieser Woche angesehen – und bin begeistert. „Carol“ erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen der 1950er Jahre auf stil- und stimmungsvolle Art und Weise.

Eigentlich muss gar nicht mehr viel dazu gesagt werden. Die Kritiken der Presse überschlagen sich nahezu mit Lob für den neuen Film von Regisseur Todd Haynes. Um nur mal ein Beispiel aus dem deutschen Raum aufzugreifen: Der Spiegel bezeichnet „Carol“ als „größte Liebesgeschichte des Jahres“. Der Film sowie beide Hauptdarstellerinnen Cate Blanchett (als Carol) und Rooney Mara (als Therese) wurden jüngst für Golden Globes nominiert. Auch bei den Oscars im kommenden Jahr rechnet man dem Film und seinen Beteiligten hohe Chancen aus.

Ohne in die Tiefen cineastischer Kritikpunkte gehen zu wollen, fühle auch ich den Drang, etwas Lobendes über diesen Film zu schreiben. Ich bin nicht vom Fach und habe schon oft nicht verstanden, warum manche Filme besonders von Kritikern gelobt werden und andere nicht… Ein Beispiel dafür wäre „Blau ist eine warme Farbe“, der französische Film über eine lesbische Liebe, der 2013 alle Leute vom Hocker haute – mich aber eher unberührt zurückließ. Dabei bin ich grundsätzlich dankbar für jeden gut gemachten Film mit lesbischer Thematik und noch besser finde ich natürlich, wenn auch kluge Kritiker diesen Filmen Mehrwert attestieren. Dann nämlich, so denke ich, gucken mehr Menschen, die sich sonst eher nicht in dem Genre bewegen, diese Filme an und mit jedem weiteren Stückchen Präsenz von Homosexualität in den Medien wächst auch die Selbstverständlichkeit der Gesellschaft dieser Thematik gegenüber. So denke ich. Das heißt aber nicht, dass ich jeden Lesbenfilm mag. „Carol“ aber mag ich.

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Stimmungsvoll… auch der Soundtrack.

Der Film vermochte es, mich bereits in den ersten paar Minuten zu packen und in das Amerika der 50er Jahre zu ziehen. Die stimmige Atmosphäre ist es auch, glaube ich, die dem Film das gewisse Etwas gibt. Rein von der Geschichte her betrachtet, passiert eigentlich gar nicht viel. Therese ist Anfang 20 und arbeitet in einem Kaufhaus. Als dort die ältere Carol eintritt, ist Therese sofort im Bann ihres Anblicks gefangen. Rasch entwickelt sich ein gegenseitiges Interesse, das schließlich in Leidenschaft gipfelt – bis es dahin kommt, vergehen allerdings viele, viele Minuten der subtilen Annäherung und anderwärtiger Konflikte. So befindet sich Carol gerade im Scheidungskrieg und muss eigentlich höllisch aufpassen, dass ihr Exmann keinerlei Material findet, das er im Sorgerechtsstreit um die gemeinsame Tochter gegen sie ausspielen könnte. Eine lesbische Affäre ist in dieser Situation im prüden Amerika der 50er Jahre alles andere als hilfreich. Zugleich ist Therese noch sehr unerfahren in der Liebe und in vielerlei anderer Hinsicht – und somit braucht es viele Blicke, viele kleine Berührungen und einige Worte der Zweideutigkeit, bis sich die Leidenschaft völlig durchsetzt.

Es ist diese Stimmung, diese unterschwellige aber stets präsente, kaum einmal richtig ausgesprochene Faszination zwischen Therese und Carol, die sich durch den ganzen Film zieht und so eine besondere Art von Spannung schafft. Und mit Spannung meine ich nicht, dass man gebannt darauf wartet, dass beide endlich miteinander im Bett landen. Nein. Ein kleines bisschen vielleicht. Aber eigentlich macht es allein Freude dabei zuzusehen, dass sich zwischen dem ungleichen Paar ein stetes Knistern vollzieht. Ein betörendes Spiel zwischen Nähe und Distanz, Sehnsucht und Unsicherheit. Über all dem schwebt das Mysterium, das ein Freund von Therese im Verlauf des Films einmal anspricht und über das sich jeder Liebende wahrscheinlich schon einmal Gedanken gemacht hat: Warum fühlt man sich zu einem Menschen hingezogen – und zu einem anderen nicht? Warum berühren uns manche und andere driften an uns vorbei? Man weiß es nicht. Aber es ist aufregend und es ist furchtbar lebendig, in aller Freude und allem Leid, die von diesem Mysterium entfacht werden.

„Carol“ ist ein ruhiger und doch aufwühlender Film mit dem richtigen Maß an Dramatik, um einen Eindruck sowohl vom Magnetismus der Liebe, als auch von den Schwierigkeiten gesellschaftlich verbotener Liebe zu vermitteln – ohne dabei jemals ins Kitschige abzuschweifen. Am Ende, so viel sei verraten, gehen beide Frauen jeweils stärker aus ihrer Geschichte hervor. Eine wunderbare Botschaft eines wunderbaren Films.