Mehr als einen Menschen emotional und körperlich lieben – kann eine solche Form der Liebe, Polyamorie genannt, funktionieren? Wenn alle Beteiligten ehrlich zueinander sind und natürliche Gefühle der Eifersucht im Griff haben… vielleicht!
Auf Netflix ist die erste Staffel der amerikanischen Serie You Me Her zu sehen, die ich mir innerhalb weniger Tage angesehen habe. Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Ehepaar Emma und Jack, das gerne – so wie alle Nachbarn ihrer spießigen Wohngegend – ein Kind hätte, allerdings läuft es im Bett überhaupt nicht mehr. Jack versucht das Feuer bei sich neu zu wecken, indem er sich mit einem Escort-Girl, der Psychologie-Studentin Izzy, trifft. Zwischen den beiden funkt es auf Anhieb. Als Emma von dem Treffen der beiden erfährt, will sie selbst die Frau sehen, die bei Jack etwas entfacht hat – und verguckt sich kurzerhand auch in die hübsche Brünette. Was nun folgt ist ein bisweilen lustiger, manchmal skurriler und manchmal auch emotionaler Versuch, eine andere Art des Beziehungslebens zu leben.
Aus lesbischer Sicht ist die Serie nur mit Vorbehalten zu empfehlen – es gibt sehr schöne Momente zwischen Emma und Izzy, allerdings sind da immer noch Jack und Izzys Verehrer Andy. Wer darauf hofft – und bei den sexy Szenen der beiden Damen kann das schnell passieren – dass sich You Me Her in eine große lesbische Liebesgeschichte verwandelt, der dürfte enttäuscht werden. Was mich dennoch an der Geschichte fesseln konnte, war die Beleuchtung des Gefühlschaos, das sich in den Charakteren abspielt. Schließlich hinterfragt eine polyamoröse Beziehung nicht nur das persönliche Verständnis von Liebe, Romantik, Vertrauen und Eifersucht, sondern ist innerhalb der westlichen Gesellschaft keine allgemein akzeptierte Lebensform.
Kann man überhaupt mehrere Menschen gleichzeitig lieben?
Wir leben in einem Land, in der sich die exklusive Zweierbeziehung als anerkannte Lebensform durchgesetzt hat. Sie findet ihren Höhepunkt in der Ehe. Zwei Menschen sagen Ja zueinander und schwören sich ewige Treue. So die Theorie. Tatsächlich leben wir aber auch in einem Land, in der jede dritte Ehe geschieden wird. Die Gründe dafür sind vielfältig – aber offensichtlich fällt dem Menschen die ewige Bindung an einen einzigen anderen Menschen nicht wirklich leicht. Das Konzept der Polyamorie verzichtet auf die Bindung an einen einzigen Menschen – sie erlaubt, mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben, sowohl sexuell als auch emotional. Dass man Zuneigung für mehrere Menschen empfindet, sich vielleicht auch mal innerhalb einer festen Partnerschaft in jemand anderes verguckt – das ist alles andere als ungewöhnlich. Aber dies dann auszuleben und daraus eine richtige Lebensform zu machen ist in unserer Gesellschaft durchaus ungewöhnlich. Auch das hat Gründe.
Das größte Problem der Vielliebe: Eifersucht
Treue ist einer der großen Pfeiler der romantischen Zweierbeziehung – genau dieser Pfeiler wird in der Beziehung mit mehreren Partnern massiv ins Wanken gebracht. Ein Mensch in einer polyamorösen Beziehung muss fähig sein zu ertragen, gar gut zu finden, dass sein Partner sich auch mit anderen Menschen emotionale und sexuelle Aufmerksamkeiten schenkt. Die Kunst ist es, sich für den Partner zu freuen, wenn er mit jemand anderem glücklich ist. Die Angst vor dem Verlust der Liebe des Partners oder das Gefühl, nicht so wichtig zu sein und die daraus resultierende Eifersucht sind hier fehl am Platz – und dies stellt die größte Herausforderungen einer solchen Verbindung dar. Eifersucht ist auch in monogamen Beziehungen eine ungern gesehen Erscheinung, dabei ist sie ein natürliches Gefühl. Sie tritt auf, wenn sich eine Person im Vergleich zu einer anderen Person (oder auch einem Tier, oder der Arbeit des Partners, es ist alles möglich) weniger beachtet, wertgeschätzt oder gar geliebt fühlt. Sie ruft je nach den Erfahrungen des betroffenen Menschen mehr oder minder starke Verlustängste hervor. Um Gefühle der Eifersucht zu überwinden, gibt es verschiedene Methoden, zum Beispiel:
- Hinterfragen, inwieweit die beunruhigenden Vorstellungen, die man sich macht, mit der Realität übereinstimmen
- Körperliche Maßnahmen, wie beruhigende Atemtechniken oder Übungen der Achtsamkeit
- Absolute Offenheit und gute Kommunikation, damit der Partner (bestenfalls) verständnisvoll darauf reagieren kann
Die einzige Chance auf das Gelingen einer polyamorösen Beziehung besteht in absoluter Transparenz und Offenheit allen beteiligten Partnern gegenüber. Eine prominente Vertreterin der Polyamorie ist übrigens Schauspielerin Tilda Swinton, die mit ihrem Ehemann und ihrem 17 Jahre jüngeren Geliebten lebt. Es gibt Menschen, für die die Vielliebe funktioniert – wenn alle Beteiligten damit glücklich sind und bereit, sich mit einer ungewöhnlichen Lebensform der Gesellschaft zu stellen. Wer interessiert daran ist, kann sich ja mal You Me Her anschauen…
März 10, 2017 um 11:12 am
siehe (höre) die Ergebnisse dieser Untersuchung http://dradiowissen.de/beitrag/eine-stunde-liebe-vom-ende-der-monogamie-mit-friedemann-karig sehr interessant!