Hier ein absoluter Geheim-Geheimtipp für Bücher mit lesbischer Thematik denn vielleicht bin ich die Einzige, die in diesem Buch überhaupt eine lesbische Thematik sieht: “Loreley” von Kai Meyer. Es geht um die berühmte Sage, das düstere Mittelalter, eine Feenwelt und eine tiefe Freundschaft bzw. so interpretiere ich es eine große lesbische Liebe…Darum geht es in “Loreley”:

Wir schreiben das Jahr 1320. Die burschikose Ailis macht eine Lehre beim Schmied auf einer Burg am Ufer des Rheins. Sie wird Zeugin davon, wie ein kleines Mädchen in einen Brunnen auf einem Berg eingesperrt wird. Der mysteriöse Vorfall verfolgt Ailis – dabei weiß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass das kleine Mädchen kein gewöhnliches ist. Es ist ein “Echo”, das mit seinem Gesang die Menschen betören und kontrollieren kann. Als Ailis beste Freundin Fee, die Tochter des Burgherren, verheiratet wird und fortgeht, bricht Ailis Welt völlig zusammen. Zu allem Überfluss wird das Echo aus seinem Verlies befreit – und Fee verfällt seinem Bann. Ailis macht sich auf, um ihre Freundin zu retten…

Mein Leseerlebnis:

Als ich 15 Jahre alt war und noch vollkommen verunsichert meiner Sexualität gegenüber, fiel mir das Buch “Loreley” von Kai Mayer in die Hände. Als “historischer Roman” beschrieben, entpuppte sich “Loreley” ganz schnell mehr als Fantasy Roman – doch was mich wirklich zutiefst überraschte und in seinen Bann zog, war die Beziehung der beiden Protagonistinnen Ailis und Fee. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, mich selbst in dem Herzschmerz einer weiblichen Protagonistin wiederzufinden. Denn sie litt nicht wegen ihrer Gefühle für irgendeinen Typen sondern für einer Frau.

Von Anfang an herrscht ein Knistern zwischen Ailis und Fee, welches das einer normalen Freundschaft übersteigt. Dabei schildert der Autor sehr einfühlsam die Gefühlslagen beider jungen Frauen, die jeweils durchaus typisch pubertäre Verwirrung und Widersprüchlichkeit (beide sind 16 Jahre alt) in sich tragen und sich ihrem jeweiligen Leben als Frau im Mittelalter zu fügen haben. Die von ihren Eltern verstoßene Gesellin Ailis hat dabei natürlich ganz andere Sorgen, als die priviligierte, schöne Burgherren-Tochter Fee. Während Ailis sich in einem Männerberuf behauptet, fühlt sich Fee eher als Gefangene in einem goldenen Käfig. Für beide sind die Zukunftsaussichten nicht gerade rosig. Und dann erfahren sie auch noch, dass ihre gemeinsame Vergangenheit von einem dunklen Geheimnis geprägt ist. Dass zwischen den Freundinnen etwas mehr als Freundschaft besteht, ist zunächst Interpretationssache, doch wird zunehmend deutlich, als sich Fees Hochzeit ankündigt. Ich habe schrecklich mit Ailis gelitten, zu deren Schmerz über den Verlust der besten Freundin sich eine rasende Eifersucht auf den Mann, der Fee besitzen wird, mischt. So fieberte ich mit ihr, als Ailis schließlich aufbricht, um Fee zu retten – bis zum Schluss betete ich für ein Happy End.

Dabei wird zu keinem Zeitpunkt der Geschichte die Sexualität der beiden jungen Frauen benannt was Sinn macht, da Homosexualität im Mittelalter verteufelt oder einfach vollkommen tabuisiert wurde. Ailis hinterfragt ihren Liebeskummer wenig. Das manipulative und doch schonungslose Echo ist es schließlich, das ausspricht, dass Ailis sich nie etwas aus Traumprinzen gemacht habe aber aus einer Traumprinzessin. Lesbische Liebe ist in “Loreley” eine Subtext-Thematik – und doch elementar wichtig, weil die Verbindung von Ailis und Fee Ausgangspunkt und Katalysator der ganzen Geschichte darstellt.

Ich glaube, dass die meisten Leser nicht unbedingt darauf kommen würden, die Geschichte mit der lesbischen Brille zu lesen. Mein damals 15-jähriges Ich auf der Suche nach sich selbst sprang diese Thematik hingegen nahezu an. So nimmt “Loreley” für mich einen besonderen Platz in den Büchern meines Lebens ein und ist tatsächlich auch ein Grund, warum einer meiner letzten Urlaube mich zur Burg Rheinfels und zum Loreleyfelsen führte.

“Loreley” ist ein sehr persönlicher Buchtipp meinerseits und sicherlich nicht einer, der jeden anspricht. Doch ich möchte dieses relativ unbekannte Schätzchen jedem ans Herz legen, der Spaß an einer spannenden Mischung aus historischem Roman und Fantasy-Schmöker hat und bereit ist, sich in die Gefühlswirrungen und das Leid einer ersten, (im wahrsten Sinne) verfluchten lesbischen Liebe zu begeben…

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