Eine Veranstaltung voller fremder Menschen – und ich will ausgerechnet mit den einzigen anderen Lesben reden. “Was willst du von denen, nur, weil die lesbisch sind?!” werde ich gefragt – und fühle mich prompt schlecht. Ist es blöd, wenn Lesben Kontakt zu anderen suchen, nur weil diese auch lesbisch sind?
Ich war neulich auf einer Hochzeit. Dazu muss ich sagen, dass ich als Begleitung meiner Freundin dabei war und weder das Paar, noch irgendjemanden der Gäste wirklich kannte. Früh fiel mir unter den rund 90 Gästen ein lesbisches Pärchen ins Auge. Ich beschloss, mit ihnen in Kontakt treten zu wollen. Hat aber nur so semi geklappt…
Beim Kaffeetrinken habe ich mich zu ihnen gestellt. Die beiden erwiesen sich als freundlich – aber auch als relativ schnarchnasige Gesprächspartner. Fragen wie “Und, wo kommt ihr her?”, oder “Schöne Location, oder?” (Smalltalk-Quark eben) brachten nur einsilbige Antworten hervor. Ich kam gar nicht dazu, auch als lesbisch vorstellig zu werden. Die Tisch-Ordnung für den Abend ergab, dass ich im weiteren Verlauf der Veranstaltung nicht mehr in der Nähe des Pärchens saß. Erst am Schluss, als der Party-Teil begann und ein DJ auf die Tanzfläche bat, witterte ich meine Chance, doch noch einen Austausch zu provozieren – aber kaum war das erste Lied gespielt, sah ich das Pärchen die Hochzeit verlassen.
Jetzt war ich frustriert. Ich beklagte mich bei meiner Freundin, es nicht geschafft zu haben, mit den anderen Lesben in Kontakt gekommen zu sein – und sie antwortete: “Die waren doch eh langweilig. Was willst du von denen, nur weil die lesbisch sind?”
Der Satz stieß mich vor den Kopf. Tatsächlich musste ich kurz überlegen. Warum war mir so wichtig, zwischen all diesen neuen Menschen, ausgerechnet mit welchen zu reden, über die ich nichts wusste – außer, dass sie keine guten Smalltalker waren und lesbisch? Da war nichts faszinierendes oder anziehendes an ihnen – bis auf ihre Homosexualität. Ich fühlte mich schlecht.
Lesben-Solidarität und die Gefahr, zu exklusiv zu werden
War ich jetzt etwa so eine Lesbe, die nur Anschluss bei Menschen der gleichen sexuellen Orientierung sucht und so dazu beiträgt, dass sich diese exklusiven Lesben- oder auch Schwulengruppen bilden, die sich durch ihr Zusammenhocken vom Rest der Gesellschaft absondern? Denn da bin ich eigentlich nicht für. Kontakte in die LGBT-Communtiy sind total wichtig, gar keine Frage – aber das heißt ja nicht, dass ich, nur weil ich lesbisch bin, keine Heteros mehr kennenlernen sollte. Wer sich nur noch mit anderen Homosexuellen umgibt, der betreibt ja quasi eine Art Hetero-Diskriminierung. Und wie will man als gleichwertig in einer Gesellschaft anerkannt werden, wenn man sich von einem Großteil dieser selbst distanziert?
Aber war es denn so einfach? “Nur, weil die lesbisch sind” – der Satz impliziert, es wäre schlecht, aufgrund von einer sexuellen Orientierung miteinander reden zu wollen. War die Gemeinsamkeit des Lesbischseins nicht eher ein durchaus triftiger Grund für eine Kontaktaufnahme? Hatte ich nicht alles Recht der Welt, mit Menschen sprechen zu wollen, die einen ganz wichtigen Aspekt meines Lebens – nämlich die Homosexualität und all die damit verbundenen, speziell lesbischen Themen und Erfahrungen – teilten? War es nicht auch ein naheliegendes Anliegen, unter all den fremden Menschen genau mit ihnen den Austausch zu suchen – und ihnen am besten auch noch von meinen Coming-out Büchern erzählen zu wollen?! Doch! Ich kam zu dem Schluss, dass mein Wunsch nach Kontakt mit ihnen legitim war.
Daraus ergaben sich aber gleich neue Fragen. Warum ließ ich mich überhaupt von so einem Satz verunsichern? Warum schämte ich mich dafür, als Lesbe mit Lesben sprechen zu wollen? War das jetzt Scham darüber, meine Sexualität scheinbar für so wichtig zu nehmen, dass ich wegen ihr potenzielle Gesprächspartner selektierte und irgendwelchen, bestimmt sehr netten Heteros gleich weniger Interesse entgegenbrachte? Nehme ich das Lesbischsein zu wichtig?! Andererseits konnte man auch nicht behaupten, ich hätte alle anderen nicht-lesbischen Gäste ignoriert und angeschwiegen – es war nur nicht mein erklärtes Ziel, mit ihnen zu sprechen.
Die Geschichte hat mir mal wieder gezeigt, wie groß der Einfluss meiner Sexualität auf ganz alltägliche und banale Situationen ist. (Und wie gut ich Situationen totdenken kann.) Mein Fazit lautet: Wer lesbisch ist, sollte sich auf keinen Fall schämen, lesbische Kontakte zu knüpfen. Es ist als Lesbe völlig in Ordnung, Kontakt zu anderen Lesben zu suchen – und es ist genau so in Ordnung, es bleiben zu lassen. Kritisch wird es (wie so oft) dann, wenn man nur noch das Eine oder das Andere macht.
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