Du kommst nach einer langen Reise nach Hause, doch keiner aus deiner Familie ist da. Das Haus wirkt wie eben verlassen, es ist chaotisch. Die Telefonleitungen sind tot, das Fernsehbild gestört. Draußen tobt ein Gewitter. Wo ist deine Familie? Was ist in diesem Haus geschehen? Das Videospiel Gone Home versetzt dich in diese unheimliche Situation und zwingt dich, das dunkle Haus bis in den letzten Raum nach Antworten zu ergründen – und dabei auch eine lesbische Thematik zu enthüllen.
Heutzutage sind Videospiele nicht mehr (nur) stupide Zeitkiller oder ein bisschen Spaß abseits der Realität – längst sind Games auf dem PC und der Konsole zu komplexen, fesselnden und zum Nachdenken anregenden Erlebnissen geworden. Wie Filme, Serien und Bücher sind sie in der Lage, vielschichtige Geschichten zu erzählen. Eine solche Geschichte erzählt auch Gone Home. Das 2013 erschienene Spiel ist mir zufällig vor die Füße gefallen, als ich an einem Wochenende meine Familie besuchte. Mein Bruder verbringt – wie wohl jeder Bruder – gerne Zeit mit seiner PlayStation 4 und als er sich im PlayStation Store die kostenlosen Downloads ansah, entdeckte ich dort das Bild zu Gone Home. Eine große alte Villa vor einem violett schimmernden Abendhimmel – irgendwie idyllisch und auch ein bisschen gruselig. Interessant! Nachdem ich mir den Trailer angesehen hatte, bat ich meinen Bro, das Spiel für mich herunterzuladen – kaum 3 Stunden später hatte ich es durch. Und jetzt bin ich froh, über Gone Home gestolpert zu sein und hiermit meine erste Game-Rezension zu schreiben!
Hier der Trailer zu Gone Home:
Gruselige Atmosphäre, berührende Geschichte
Du betrittst das Haus in der Rolle der Katie, einer jungen Erwachsenen, die im Jahr 1995 gegen Mitternacht von einer Europareise in die USA heimkehrt – in das Haus, in das deine Familie in der Zwischenzeit umgezogen ist. Bereits an der Eingangstür liest du die kryptische Nachricht deiner Schwester Sam, in der steht, dass sie leider nicht da sein kann, um dich zu empfangen. Nun beginnst du, das Haus zu erkunden und herauszufinden, wo sie und deine Eltern bloß sind. Die Dielen knarren, Türen quietschen und überall muss man erst einmal Licht anknipsen. Je weiter du dich von Zimmer zu Zimmer arbeitest, liegengelassene Briefe liest und Schubladen öffnest, desto mehr findest du Erinnerungen aus der Vergangenheit, erzählt von deiner Schwester. Zum Beispiel erfährst du, dass deine Schwester ein Mädchen kennengelernt hat, das sie sehr fasziniert. Dieses Mädchen kam auch zu Besuch, um das “Psychohaus” zu sehen… Warum das Haus so genannt wird und was aus der lesbischen Verliebtheit deiner Schwester wird? All das musst du dir zusammenpuzzlen, indem du dir alles ansiehst – auch den finsteren Keller und den Dachboden, der blutrot beleuchtet ist…
Wie vom Coming-in zum Coming-out…
Bei Gone Home kommt es nicht wirklich auf spielerische Fähigkeiten an. Du musst keine großartigen Reflexe zeigen und auch die Rätsel sind ziemlich fix gelöst. Und doch fordert dieses Spiel den Kopf. Gone Home schafft es, in deinen Gedanken allerlei Szenarien hervorzurufen, was hier geschehen sein mag. Obgleich du die Familie nicht sehen und sprechen kannst, entsteht vor deinem inneren Auge ein Bild von ihr. Du lernst etwas über ihre Marotten und Sorgen im Alltag, angesichts der Dinge, die sie zurückgelassen haben – aber auch über ihre Geheimnisse und das, was sie zu verbergen haben. Gleichzeitig hält dich die Atmosphäre im verlassenen Haus, die an Horrorfilme und manch einen meiner persönlichen Albträume erinnert, in ständiger Wachsamkeit. Dabei schält sich hier eine anrührende Coming-out Geschichte aus der mysteriösen Umgebung, in welcher der Spieler nie weiß, was wirklich und was nur in seinem Kopf geschieht. Gone Home spiegelt quasi den Weg des Coming-ins zum Coming-out – ein dunkler, unsicherer Pfad durch ein Labyrinth aus Angst. Vor allem Angst davor, was möglicherweise geschehen könnte. Aber es ist auch ein Weg der Hoffnung. Wie jedes Mal, wenn man den Lichtschalter betätigt und ersteinmal erleichtert feststellt, dass hier kein Grauen in der Ecke lauert. Doch gilt das auch für das nächste Zimmer…?
Fazit: Gone Home ist mit 3-4 Stunden Spielzeit ein kurzes, aber verdammt intensives und großartiges Spielerlebnis für alle. Für lesbische Gamer, sowie für solche, die wenig oder gar nie mit der LGBT-Thematik in Berührung gekommen sind – denn der Spielspaß von Gone Home fordert und fördert Empathie. Es bringt die Problematik der ersten lesbischen Liebe und des Coming-outs einfühlsam und doch ganz wie nebenbei rüber. Gleichzeitig hält es die Spannung hoch bis zum Schluss. Top!
Gone Home (2013)
Entwickler: The Fullbright Company
Spielbar auf: Microsoft Windows, Mac OS, Linux, PlayStation 4, Xbox One
Genre: Adventure
Preis: ca. 10 Euro (PC), kostenlos (PlayStation Plus Download)
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