Bin ich verliebt?
…ist oftmals die Frage, mit der das Übel seinen Lauf nimmt! Jedem Coming-out geht die ein oder andere Verliebtheit in eine Person des eigenen Geschlechts voraus.
Wir alle haben eine Vorstellung von Liebe und Verliebtheit. Früh beginnen wir bereits in der Kindheit unsere eigenen Erklärung für diese eigentlich verdammt abstrakten Begriffe aufzubauen. Wir werden geprägt von dem, was uns nahe stehende Personen und allen voran die Eltern vorleben, aber auch die Bücher, Filme, Fernsehserien und Lieder, mit denen wir konfrontiert werden, tragen ihren Teil zu unseren Ideen bei. (Meine Vorstellungen und Illusionen von romantischer Liebe wurden zum Beispiel nachhaltig von Disneyfilmen geprägt. Ich warte heute noch auf ein musikalisch untermaltes Treffen mit meiner Liebe in einem opulenten Ballsaal, auf einem fliegenden Teppich oder umgeben von singenden Tieren.) Aber trotzdem bleiben Liebe und Verliebtheit hochkomplexe Gefühle, die im Leben nicht immer so eindeutig auf der Hand liegen wie in Hollywood. Was passiert denn, wenn man sich verliebt?
Die Chemie der Liebe
Sowohl die Verliebtheit, mit der alles beginnt, als auch die tiefere Liebe, die daraus entstehen kann, verhält sich bei Menschen aller sexuellen Orientierungen gleich schön und gleich bescheuert. Bis heute lässt sich wissenschaftlich nicht erklären, warum man sich in den einen Menschen verliebt und in den anderen nicht. So kann die Forschung auch nicht erläutern, wieso sich auch Männer in Männer und Frauen in Frauen verlieben. Es gibt zig Vermutungen und keine klaren Ergebnisse – wer Lust hat, sich da mal einzulesen, ich fand den Artikel zur lesbischen Liebe ganz interessant: Lesbische Liebe
Was die Wissenschaft allerdings ziemlich gut aufgedröselt hat, ist, welche Chemie sich im Körper vollzieht, wenn der Mensch sich denn verliebt hat. Er wird Opfer eines ganz speziellen Hormon-Cocktails, der sein Gehirn vernebelt. Der Körper produziert viel Dopamin, das Glückshormon, und lässt die umschwärmte Person zur persönlichen Droge werden. Interessant und irgendwie gruselig: Verliebtheit aktiviert dieselben Hirnregionen wie bei einem Suchtkranken. So kann sich eine gescheiterte Liebe auch wie kalter Entzug anfühlen. Um Verliebtheit zu Liebe werden zu lassen, schüttet der Körper das Hormon Oxytocin aus, das ein Bindungsgefühl fördert. Klingt, als wären wir alle nichts als Spielbälle unserer Biochemie – allerdings kann die Wissenschaft nicht klar sagen, was zuerst da ist, die Chemie oder die Verliebtheit.
Bei mir kennzeichnete sich Verliebtheit immer als erstes mit dem starken Bedürfnis, von einem bestimmten Mädchen überhaupt wahrgenommen zu werden. Viel stärker, als mein Ego von anderen Menschen Beachtung erhoffte. Das war schon ein alarmierendes Zeichen, aber noch nicht so schlimm – konnte ja noch verfliegen. Tat es auch manchmal. Manchmal aber wuchs es an und brachte eine große Aufregung mit sich, wenn mich das Mädchen dann tatsächlich beachtete, gar mit mir sprach – ich verlor regelmäßig die Kontrolle über meine Sprache und Gesichtszüge (was mitunter peinliche Momente nach sich zog). Kein Wunder, denn der Körper stößt bei Verliebtheit mehr Adrenalin aus – purer Stress! Das Kribbeln, das Rotwerden, das starke Gefallenwollen sorgten dafür, dass ich mir die Frage stellte, warum ich bloß so empfand. Ich suchte Gründe und bildete Wörter und Beschreibungen für mein Empfinden. Sie hat so einen tollen Humor… Ihre Wimpern sind so lang…. Ihr Lächeln ist solch ein Strahlen… Und das war dann der Point of no return. Sobald ich damit begonnen hatte, meine Gefühle zu reflektieren und sie in Worte zu fassen, geriet ich richtig in ihre Fänge. Kleinigkeiten konnten nun einen ganzen Tag himmlisch oder höllisch erscheinen lassen. Heute ist mir meine Butterbrotdose zu Boden gefallen und sie hat sie für mich aufgehoben = Der schönste Moment meines Lebens. / Sie hat mich heute keines Blickes gewürdigt = Das Ende der Welt.
Verständlich, dass Platon Verliebtheit einst als “schwere Geisteskrankheit” bezeichnet hat! Man kann sich dem, was in einem abgeht, kaum entziehen – wenn es gut läuft, rauscht man auf Wolke 7 durch den Alltag und wenn es schlecht läuft, wird man zum Unglückskloß. Man wird irrational, schwärmerisch, unbeholfen, irgendwie albern und vor allem nervig für Außenstehende. Verliebtheit lässt sich, ob homosexueller Natur oder nicht, schwer ignorieren. Anfangs habe ich das noch versucht. Ich habe Gründe gesucht, warum es sich bei meinen Gefühlen für ein Mädchen nicht um Verliebtheit handeln kann, habe Empfindungen heruntergespielt und versucht, mir stattdessen Schwärmerein für Jungs einzureden. Tja. Hat nix genützt.
Wer sich nicht verschließt und einfach in sich hineinhorcht, wird sich die Frage nach der Verliebtheit recht schnell beantworten können. Es liegt in der menschlichen Natur, ist unerklärlicher Zauber und pure Chemie zugleich. Wenn ein Mädchen erkannt hat, dass es sich in ein anderes Mädchen verknallt hat, enden allerdings die Fragen nicht – im Gegenteil. Jetzt geht es erst recht los…
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