Sicher, vermeidend, ängstlich – drei Bindungstypen bestimmen, wie unsere Bedürfnisse in Beziehungen aussehen und wie wir auf unsere Partnerinnen reagieren. Wer seinen eigenen Typ und den der Partnerin einschätzen kann, ist definitiv im Vorteil…
Ich habe letztens das Buch Warum wir uns immer in den Falschen verlieben von Amir Levine und Rachel S.F. Heller gelesen und tatsächlich das Gefühl, bahnbrechende Erkenntnisse über mein eigenes und auch das Bindungsverhalten anderer erhalten zu haben. Vielleicht seid ihr in euren Beziehungen auch schon in Konflikte geraten, bei denen ihr eure Partnerin einfach nicht nachvollziehen konntet? Das könnte daran liegen, dass ihr unterschiedliche Bindungstypen seid!
Bereits Kleinkinder zeigen unterschiedliche Bindungsmuster
Bereits Kleinkinder weisen unterschiedliche Bindungsmuster auf. Wissenschaftliche Studien haben dies in Tests mit Müttern und ihren Kindern festgestellt. Bei dem sogenannten “Fremde-Situation-Test” (hier könnt ihr euch solch einen Test in einem Video ansehen) wird ein Kleinkind mit seiner Mutter in einen Raum mit Spielzeug gesetzt. Nach einigen Minuten, wenn das Kind mit Spielen beschäftigt ist, verlässt die Mutter den Raum. Wenige Minuten später kommt sie zurück. Anhand der Reaktionen der Kinder während der Abwesenheit und der Rückkehr der Mutter haben Forscher drei unterschiedliche Bindungsmuster festgestellt:
- Sichere Bindungstypen: Diese Kinder zeigen sich irritiert von dem Verlassen der Mutter, lassen sich aber erneut auf das Spielen ein und begrüßen die Mütter freudig, wenn sie zurückkommen.
- Unsichere Bindungstypen: Diese Kinder beginnen zu weinen und verzweifeltes Verhalten zu zeigen, wenn die Mütter gehen. Bei der Rückkehr zeigen sie sich entweder klammernd oder aggressiv-abweisend.
- Vermeidende Bindungstypen: Diese Kinder wirken unbeeindruckt, wenn die Mütter gehen. Sie spielen alleine weiter und zeigen bei der Rückkehr der Mütter wenig bis gar keine Reaktion.
Ausgehend von diesen Erkenntnissen lassen sich dieselben Bindungstypen auch bei Erwachsenen feststellen – besonders in romantischen Beziehungen. Während der sichere Bindungstyp der umgänglichste und für eine andauernde Partnerschaft wohl der hilfreichste Typ ist, bringen die ängstlichen und vermeidenden Bindungstypen einige Tücken mit sich. Niemand kann etwas dafür, wie er ist – Bindungstypen entwickeln sich aufgrund von individuellen Erfahrungen, nicht bloß im Kleinkindalter, sondern auch noch später in engen Beziehungen. Nahezu jeder Mensch, egal welchem Typ er entspricht, wünscht sich Bindung und Nähe in seinem Leben – schließlich hat es sich seit Beginn der Menschheit als Vorteil herausgestellt, sich in Bindung mit anderen Individuen gemeinsam durch das Leben zu schlagen. Aber: je nach Typ geht jeder anders mit diesem Bedürfnis um.
Welcher Bindungstyp bist Du?
Hier eine kleine Zusammenfassung der Eigenschaften der drei Bindungstypen. Dies sind grobe Zusammenfassungen von komplexen Mustern…
Ängstlicher Bindungstyp:
Du bist sensibel für jegliche mögliche Bedrohung Deiner Beziehung – bist quasi in ständiger Alarmbereitschaft. Manchmal reichen ein ausbleibender Rückruf oder ein schiefer Blick Deiner Partnerin, um bei Dir erste Zweifel an Ihren Gefühlen für Dich zu wecken. Hinzu kommt, dass Du sehr feinfühlig auf Ihre Stimmungen reagierst – und schnell die Gründe für diese Stimmungen interpretierst. Das kann Dir dabei helfen, die Welt besser als manch anderer zu verstehen – aber das kann auch dazu führen, dass du voreilige (und falsche) Schlüsse ziehst. Manchmal reagierst Du dann aufbrausend oder abweisend – und bereust dies schnell wieder. Du bist anfällig dafür, Deine Partnerin zu idealisieren und Dich kleiner zu machen, als Du bist. Nach einem Streit, wenn Du dich beruhigt hast, siehst Du nur noch all die positiven Eigenschaften Deiner Partnerin. Du hast ein sehr hohes Nähe-Bedürfnis und brauchst von Deiner Partnerin immer wieder die Bestätigung Ihrer Liebe.
Vermeidender Bindungstyp:
Du hast ein hohes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Du schaust auf jegliche Form von Abhängigkeit herab. Dies führt dazu, dass Du dich schnell eingeengt fühlst und in Beziehungen, die zwangsläufig ein gewisses Maß an Nähe mit sich bringen, Panik bekommst. Du bist immer damit beschäftigt, Deine Partnerin auf Distanz zu halten – Du zögerst heraus, eine feste Bindung einzugehen, oder meidest, zu viel Zeit mit ihr allein zu verbringen. Schnell bist Du verleitet, schlecht über sie zu denken – zum Beispiel ist sie Dir zu fordernd oder zu klammernd. Vielleicht existiert in Deinem Kopf eine Idealvorstellung einer Partnerin, an der Du jede Partnerin misst – die sie aber niemals erreichen könnte. Auch dies ist eine Methode, Dich von Deiner Partnerin zu distanzieren. Du kannst Deine Emotionen, wie Dein durchaus vorhandenes Bedürfnis nach Nähe, gut unterdrücken und ignorieren. Anders als der ängstliche Bindungstyp, siehst Du nach einem Streit nur noch all die schlechten Eigenschaften Deiner Partnerin. Letztlich tust Du dies alles, um Dich zu schützen – aber es macht auch, dass Du öfter als andere unglücklich in Deinen Beziehungen bist.
Sicherer Bindungstyp:
Du hast das tiefe Vertrauen, dass Dich Deine Partnerin genauso liebt, wie du sie und verschwendest keine Energie darauf, dies in Zweifel zu ziehen. Du schätzt und genießt Intimität und bist in der Lage, Deine Bedürfnisse zu kommunizieren und auf die Deiner Partnerin zu reagieren. So kannst Du aufkommende Konflikte ruhig, besonnen und empathisch auflösen.
Wenn unterschiedliche Bindungstypen kollidieren…
Ein Blick auf die unterschiedlichen Bindungstypen zeigt, dass gewisse Kombinationen großes Konfliktpotenzial mit sich bringen. Die explosivste Kombination ist mit Sicherheit die zwischen einem ängstlichen und einem vermeidenden Bindungstyp. Interessanterweise scheinen gerade diese beiden Typen sich oft anzuziehen – was vielleicht auch daran liegt, dass sich Vermeider und Vermeider seltenst gegenseitig daten. Diese Kombination kommt aufgrund des gegenseitigen Distanzierens nicht weit zusammen. Der ängstliche Bindungstyp hingegen hat aufgrund seines hohen Nähe-Bedürfnisses viel Kraft, um sich an einen Vermeider festzuklammern, sodass diese Kombination häufig entsteht. Und mit ihr entsteht ein Teufelskreis: Während der ängstliche Part die Nähe und Sicherheit seines Partners sucht, bekommt der vermeidende Part kalte Füße und sucht Distanz. Der ängstliche Typ reagiert verletzt, der vermeidende Typ geht noch mehr auf Distanz. Sie befeuern gegenseitig ihre jeweiligen Ängste und geraten in Konflikte miteinander, die augenscheinlich Kleinigkeiten betreffen. In Wahrheit aber geraten sie in diese Konflikte nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Bindungs-Bedürfnisse. (Ein anschauliches Beispiel einer solchen Beziehung wird in diesem Artikel anhand der Charaktere Anna, der ängstliche Typ, und Elsa, der vermeidende Typ, aus Disneys Frozen erklärt. Schaut mal rein!) Auch sichere Bindungstypen werden mit den Schwierigkeiten des ängstlichen und des vermeidenden Bindungstypen konfrontiert – aber sie sind, besser als die beiden anderen Typen, in der Lage, Ängste oder Distanzierungsmaßnahmen ihrer Partner anzunehmen, ohne vollkommen aus ihrer inneren Ruhe gebracht zu werden. Allerdings: Selbst, wenn der Idealfall eintritt und zwei sichere Bindungstpyen eine Beziehung eingehen, sind sie nicht davor gefeit, in Konflikte zu geraten – denn letztlich sind auch die sicheren Bindungstypen nur Menschen.
Gibt es eine Lösung für kollidierende Bindungstypen?
Die einzige, mögliche Lösung für eine funktionierende Beziehung ist simpel: Kommunikation. Es ist fundamental wichtig, egal welcher Bindungstyp man ist, seiner Partnerin seine Bedürfnisse mitzuteilen – und dies auf eine offene und wertfreie Art und Weise; bloß nicht anklagend und vorwurfsvoll. Nur wenn beide Seiten Verständnis für die gegenseitigen Bedürfnisse aufbringen, können sie Wege finden, diese aneinander anzupassen. Das ist immer mit Kompromissen verbunden, die beide Seiten bereit sein müssen, einzugehen. Ein Beispiel, wie dies für ein ängstlich-vermeidendes Pärchen aussehen könnte:
Partnerin Anna ist der ängstliche Typ und fühlt sich in der Beziehung allein gelassen, weil Partnerin Bea, die ein Vermeider ist, sehr viel Zeit auf der Arbeit verbringt und sich dann nicht bei ihr Anna meldet. Anna wird zunehmend sauer darüber, dass Bea nicht einmal eine Minute aufbringen kann, um ihr auf ihre Nachrichten zu antworten. Wenn sich Bea dann mal meldet, ist sie genervt von Anna und der Tonfall wird kühl. Nachdem beide offen einander erklärt haben, was sie in der Situation wirklich bewegt – dass Anna das Gefühl hat, Bea nicht wirklich wichtig zu sein; und andererseits, dass Bea auf der Arbeit eingespannt ist und es ihr wichtig ist, dort nicht abgelenkt zu sein – konnten beide die Einigung erzielen, dass Bea eine vorgefertigte Nachricht bereithält, die sie Anna schickt, wenn sie an sie denkt. Kurz und bündig: “Ich denk an Dich.” Anna fühlt sich durch die Nachricht in ihrem Nähe-Bedürfnis bestätigt und Bea hat nicht das Gefühl, bei der Arbeit zurückstecken und für die Beziehung einen für sie stressigen Aufwand betreiben zu müssen. Konflikt gelöst!
Dort kommt jede individuelle Partnerschaft nur hin, wenn beide Seiten ihre Bedürfnisse klar kommunizieren und gleichzeitig verständnisvoll auf die Bedürfnisse der anderen Seite eingehen. Das Wissen um unterschiedliche Bindungstypen kann Partnerinnen dabei helfen, sowohl sich persönlich, als auch sich gegenseitig besser zu verstehen und ihre Beziehung dauerhaft in sicheren Bahnen zu lenken. Letztendlich bleibt die Umsetzung dieses Wissens aber simpel und doch gleichzeitig so fundamental wichtig: Sprecht miteinander, seid ehrlich und habt Verständnis für unterschiedliche Bedürfnisse. Und ganz wichtig und bloß nicht zu vergessen: Liebt Euch!
Februar 3, 2024 um 5:46 am
Liebe Lina,
mir hat dein Artikel bezüglich der eigenen Sexualität finden sehr gut gefallen, ebenso wie auch selber geholfen.
Den es tatsächlich nicht immer leicht zur eigenen Sexualität zu finden und eben diese dann auch anzunehmen.
Vielen Dank für diesen Artikel, sowie im allgemeinen für deine Arbeit.
Viele Grüße
Marianne